11. Juni 2011

7.

Er sprach viel über das Wetter und über die Sonne und wie frisch und lebendig ihm alles jetzt schien und Jonathan dachte er treibt es ein bisschen zu weit und musste sich fragen, ob er wohl noch immer krank ist und wollte vielleicht musste zu dem Schluss kommen, dass er sich am Ende eigentlich doch bloß fürchtete zu sterben und dachte sich still: und ich hatte solche Angst vor dir und vor mir vor dir.

27. November 2010

6.

Die Dielenbretter im Haus der Großmutter biegen sich zu allen Seiten. Ein Häschen stolpert im Garten über eine Grasnarbe. Die Katze verläuft sich in den Dielen. Der Hund findet nicht hinter den Ofen. Der schwere heiße Duft von weißem Zimtkuchen. Aus dem Nebenzimmer kratzt die Musik am Morgen nur so über die Töne. Die dicke Decke flattert nicht, lässt sich wie Schaum zusammen- drücken. Der zweite Schlaf kommt noch einmal in Wellen. Menschenaugenlider im blassen Kissen. Der Hund klappert mit den Napf. Das Wasser spritzt. Wenn er träumt, zucken seine Beine.
In der Küche kippt die Großmutter ihre flache Gesichtsfläche den kantigen Buchstaben entgegen um Sätze daraus machen zu können. Sie liest ein Kuchenrezept. Aber ihre Augen klappen nicht einfach zu; ihr Blick ist am Morgen glänzend und aufmerksam. Der Kuchenteig bläht sich in der heißen Ofenluft auf. Der Zimtgeruch bleibt hängen wie der Nachgeschmack vom Frühstückskaffee.

27. Oktober 2010

5.

Jonathan nahm ein Bad. Ihm fiel auf, dass die runde fingernagelgroße Temperaturanzeige am Wasserhahn gar nicht tatsächlich zur Hälfte rot und zur anderen Hälfte blau war. Sie war ganz rot und die rechte Seite war blau übermalt worden. Das erschien ihm sehr ökonomisch. Er stellte sich vor, es wäre seine Aufgabe gewesen eine solche Temperaturanzeige zu entwerfen. Er wusste, er hätte beide Seiten einzeln bemalen lassen. Jonathan schämte sich vor sich selbst, wann immer er eine Feststellung dieser Art machen musste.

8. September 2010

4.

Jonathan trat eine Pfütze platt.
Achtsam hat er jeden Tropfen mit den Füßen platt getreten. Im Stein blieb keine Ritze, die nicht sich füllend färbte, den dunklen Fleck verbreiternd. Für den Moment vergisst Jonathan ganz von irgendwoher zu kommen und nach irgendwohin zu gehen. Er tritt Wasser in den Asphalt. Und trunken noch vom Anblick seines Tuns will er den Rest der Pfütze küssen. Mit gestreckten Beinen beugt er den Rücken Wirbel für Wirbel tiefer, den Kopf dem flachen Wasserspiegel entgegen. Auf dem Asphalt schwimmt ein Lächeln.
Jonathan fühlt unten die Pfütze, die an seinen Füßen leckt. Die Haare an seinen Beinen stellen sich auf und der Mut verlässt ihn. Er hebt den Kopf und versucht das Lächeln aus der Pfütze. Ein zweites Mal gelingt es nicht. Jonathan schleppt seine Füße heim.

3.

Grünes Licht spiegelt sich in der Scheibe, legt sich als Schicht über den Fensterausschnitt von Himmel.
- Drei Vierer oder zwei Könige gewinnen hab ich gehört. - Oder du hälst einfach mal die Fresse beim Kartenspielen. - Ja. Und nochmal: - Drei Vierer oder zwei Könige gewinnen hab ich gehört. - Oder du hälst jetzt einfach mal die Fresse beim Kartenspielen. - Ja. Der dahinter neben der Frau dachte es war die Tasche. Jonathan sieht, wie er leicht zusammenzuckt als er merkt, dass er die ganze Zeit mit seinem an ihrem Fuß rumgemacht hatte.

2. März 2010

2.

Eine essende Frau, eine wedelnde Handbewegung, als könnte man damit den Kauvorgang vorantreiben.
Ein doppelter Streifen aus Punkten auf zwei Trennscheiben verschiebt sich gegeneinander, durch eine leichte Kopfbewegung und durch jede Bewegung des Fahrzeugs auf der Straße, auf dem Asphalt, der nicht gleichförmig und nicht glatt ist.
Und er blieb bis zur Endhaltestelle sitzen. Bis dahin fuhr die alte Frau neben ihm und er konnte nicht die Worte finden und nicht den Mut, sie zu bitten aufzustehen.
Die Hände flach auf den Schoß gepresst. Und draußen das Wasser. Das Plastikrohr gießt es in das kleine Steinbecken, das von nassem Laub umrandet ist. Milchige Hitze bis in die späten Abendstunden.
Auf dem Klo hatte er ein Gefühl gehabt. Und er hatte es nach Hause tragen wollen. Er hatte sich im Bett zusammenrollen wollen und das Gefühl vom Tag säubern wollen.

6. Februar 2010

1.

Jonathan entdeckte einen Satz im Muster der Kacheln auf dem Bahnhofsklo. Unerwartet stand da: eine wimper zwischen den fingern ist kein versprechen. Und wenn er die Augen etwas zusammenkniff, las er: ein altes stück schokolade in glänzendem papier ist kein versprechen.
Jonathan verlässt das Klo. Draußen sieht er kleine Mädchen mit Röckchen. Mädchen mit gekreuzten Beinen. Mädchen mit gespreizten Beinen. Mädchen hüpfen von Baumstumpf zu Baumstumpf. Vielleicht ist er verliebt. Er will nach Hause gehen. Er will seine Lippen rot malen. Er beißt seine Lippen rot. Die Mädchen hüpfen. Jonathan läuft vorsichtig die Muster auf dem heißen Asphalt des Bahnhofsvorplatzes ab. Mit einzeln gesetzten Schritten. Wenn er einen zu komplizierten Schritt macht, beide Füße gleichzeitig in einem zu großen Winkel verdreht, schwankt sein Körper. Er lächelt. Ein Mädchen lächelt zurück. Sie denkt, vielleicht habe ich ihn geliebt. Sie ist sich nicht sicher. Jonathan nimmt den Bus.

2. Februar 2010

0

Jonathan regt sich auf.
Ihm war aufgefallen, dass er für den Mann mit dem Taubenfutter auf der Parkbank der mit einem alten schwarzen Schirm vorübergehende Mann war. Und für den Vorüberfahrenden im Zug der Mann, der eine Einkaufstasche vermutlich nach Hause trug. Er beschließt die Einkäufe im nahe gelegenen Fluss zu versenken. Er kommt davon ab als er davor steht und schon meint, die missbilligenden Blicke im Rücken zu fühlen. Er kauft einen Kaffee und kippt ihn (ohne einen Schluck davon zu trinken) vor sich zum Teil auf den Boden zum größeren aber auf die Füße. Damit ist sein Drang irgendetwas gegen irgendetwas anderes zu unternehmen verflogen.
Er sitzt eine Weile mit den Einkäufen und einem neuen Kaffee auf einer Bank, während zu Hause der Hund wartet.